Lasst uns offener über die Nachteile der Elektromobilität sprechen

Nur wenige Themen erhitzen so sehr die Gemüter wie die Elektromobilität. Die einen sind fest davon überzeugt und die anderen – abschätzig gerne „Diesel Dieter“ genannt – kritisieren die schlechte Langstreckentauglichkeit, Umweltfreundlichkeit und den fehlenden „Sound“. In der Diskussion vergessen die Enthusiasten aus meiner Sicht zu oft, auch offen über die Nachteile zu sprechen.

Lange Ladepausen

Lange Strecken sind mit dem E-Auto meist kein Problem: Das Navi rechnet die notwendigen Ladepausen selbst aus und behält im Auge, ob die ausgewählte Ladesäule frei ist und der Akku bis dahin durchhält. Eine Pause von 10 Minuten ist kein Problem, weil ein Toilettenbesuch inklusive Weg von der Ladesäule dorthin so lange dauert. Nervig sind die Ladepausen, wenn der Akku 25 Minuten braucht und man eigentlich weiterfahren möchte. So lange braucht mein Skoda Enyaq von 10 auf 80 Prozent und gerade bei einem Roadtrip, bei dem man jeden Tag nur 100-200 Kilometer fährt, nerven die Zwangpausen. Die Ladegeschwindigkeit muss runter. 10 Minuten für 10 auf 80 Prozent sollten das Ziel sein.

Blockiergebühr – auch wenn Nachbarsäule frei sind

Was viele vergessen, wenn sie über die Langstreckentauglichkeit des E-Autos sprechen ist die Tatsache, dass der Akku am Ziel meist leer ist. Kein Problem, wenn man nach Hause fährt und dort eine Wallbox hängt – aber blöd, wenn das Hotel keine Ladeinfrastruktur bietet oder diese teuer ist. Konkretes Beispiel aus unserem jüngsten Trip nach Frankreich: Während wir unterwegs dank Ionity Power für 33 Cent pro kWh laden konnten, sollte der Ladevorgang in der Tiefgarage in der Nähe unseres Hotels 59 Cent pro kWh kosten – plus einer Blockergebühr von 5 Cent pro Minute nach vier Stunden. Wer also fünf Stunden lädt (damit das Auto wieder auf 80 Prozent kommt) und nicht mitten in der Nacht in die Tiefgarage gehen möchte, muss 3 Euro pro Stunde zusätzlich zum Strompreis zahlen. Wer also sein Auto abends um 20 Uhr anschließt und morgens um 9 Uhr wieder losfahren möchte, zahlt allein 27 Euro Blockiergebühr. Das ist fast so viel wie die Kosten für den Strom: In unserem Beispiel würden in 5 Stunden rund 55 kWh geladen, also für 32,45 Euro.

Besonders ärgerlich finde ich an den Blockiergebühren, dass sie auch dann anfallen, wenn die Nachbarsäule frei ist – also niemand wirklich blockiert wird. Es müsste doch technisch möglich sein zu ermitteln, ob Nachbarsäulen frei sind und dann gerne auch eine höhere Blockiergebühr zu berechnen.

Eine rühmliche Ausnahem ist Tesla, die genau das machen: Eine Blockiergebühr fällt nur an den Schnellladesäulen an. Diese wird erhoben, wenn das Auto mindestens 80 Prozent geladen hat und steigt, wenn der Ladepark zu 100 Prozent ausgelastet ist auf 1 Euro pro Minute. An den so genannten Destination Chargern, die in Hotels installiert sind, fällt keine Gebühr an.

In unserem Fall, so ehrlich muss man sein, haben wir mit der Cupra-Ladekarte geladen und dort entfällt die Blockiergebühr für Ladevorgänge, die zwischen 21 und 9 Uhr stattfinden. Das ist ok.

Intransparente Ladepreise

Das größte Ärgernis bei der Elektromobilität sind die Preisunterschiede an öffentlichen Säulen: Die oben erwähnten 59 Cent sind nicht mal die Spitze. An manchen Säulen kostet das Laden 89 Cent pro kWh und mehr. Der Preis ist dabei maßgeblich von der verwendeten Ladekarte abhängig. Auch die Blockiergebühr schwankt. So berechnet Mercedes im Ladetarif M (kostet 4,99 Euro Grundgebühr pro Monat) an der oben erwählten Säule in Frankreich nur 37 Cent pro kWh, dafür wird die Blockiergebühr von 3 Euro pro Stunde schon nach 180 Minuten fällt und sie wird rund um die Uhr berechnet. Oben genannten Ladebeispiel würde mit der Karte also 20,90 Euro für 55 kWh und 18 Euro Blockiergebühr bedeuten. In Summe also 38,90 Euro, während der Ladevorgang mit der Cupra-Karte 59,45 Euro kostet.

Wer die entsprechenden Apps nutzt und sich ein wenig in die Materie einliest, erkennt solche Preisunterschiede und nutzt die günstigste Ladekarte. Wer darauf aber nicht achtet, zahlt massig mehr. Wir reden hier nicht über ein paar Cent wie bei den Benzinpreisen, sondern von teilweise doppelt so viel Geld.

Die Europäische Union versucht, mit der AFIR (= Alternative Fuels Infrastructure Regulation) mehr Transparenz in diesen Markt zu bringen, geht aber aus meiner Sicht nicht weit genug: Die Betreiber von schnellen Ladesäulen (ab 50 kW aufwärts) werden gezwungen, die Adhoc-Ladepreise an den Säulen anzuzeigen. Wer aber eine Ladekarte nutzt, lädt eben nicht Adhoc (also ohne Anmeldung!) sondern nutzt den Tarif seiner Ladekarte. Für langsame Säulen gibt es wiederum keine Vorgaben der EU.

Apps wie Chargeprice versuchen zu helfen, aber die Nutzer müssen fleißig mitmachen, damit die verschiedenen Tarife erfasst und ggf. aktualisiert werden. Was hier helfen würde ist eine Markttransparentzstelle, wie sie seit 2013 für Kraftstroffe in Deutschland existiert. Tankstellenbetreiber müssen Preisänderungen in Echtzeit dorthin melden und die Behörde versorgt Apps mit den Daten, um einen Preisvergleich zu ermöglichen. Denkbar wäre dann sogar eine Berücksichtigung der Ladekarten und -preise in der Routenplanung: Was kostet die schnellste Route – und wie viel lässt sich durch die günstigste Route einsparen?

Das Navi muss mehrere Ladekarten unterstützen

Ich glaube allerdings nicht, dass die Autohersteller von sich aus so eine Preisvergleichsfunktion in ihre Navis einbauen werden, denn sie bieten eigene Ladekarten an. Abhilfe gibt es hierfür bislang nur mit Diensten wie A Better Route Planer. Die Autohersteller werden wohl von der EU dazu gezwungen werden müssen, Ladefilter (zeige nur Ladesäulen bestimmter Anbieter an) oder Ladekarten-Filter (zeigt nur Ladesäulen an, die mit den eigenen Ladekarten funktionieren) einzubauen. Sie haben daran schlicht kein wirtschaftliches Interesse.

Fazit

Elektrisch fahren ist super – aber das öffentliche Laden kann unnötig teuer werden. Die Preisunterschiede sind deutlich größer als bei Sprit – und mitunter nicht leicht zu erkennen. Ich hoffe sehr, dass die EU das Problem erkennt und handelt. Von der Bundesregierung erwarte ich dagegen wenig, denn sie verunsichert die Menschen nur unnötig mit der Forderung nach einer Verschiebung bzw. Aufweichung des „Verbrenner-Verbots“.

Zum Schluss noch ein sehr interessantes Video zum Thema Laden von Matthias Speicher. Er erklärt, dass die hohen Ladepreise auch etwas mit den hohen Investitionen und der geringen Nutzungsfrequenz der Ladesäulen zu tun haben.

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